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En-Schemesch

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

En-shemesh

Lokalisierungsvorschläge

  • ʿAin el-Ḥōḍ (? odb)   

Namensformen AT

עין־שמש ʿên-šæmæš. ἡ πηγὴ ἡλίου, ἡ πηγὴ Βαιθσαμυς „Sonnenquelle“

Belege AT

Jos 15,7; Jos 18,17

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

(πηγὴ) Σάμς (Eusebius, Onomastikon 158,4: Notley, R. Steven / Safrai, Ze’ev 2005a, 147, Nr. 849; Timm, Stefan 2017a, 209, Nr. 851)

Beschreibung

Inwieweit der Name „Sonnenquelle“ auf die Verehrung einer Sonnengottheit hinweist, ist unklar (Gaß, Erasmus 2005b, 59f). Zumindest ist ein solcher Kult für Jerusalem in alttestamentlicher Zeit nicht auszuschließen (Keel, Othmar / Uehlinger, Christoph 2001a, 302–317). Allerdings sind an diesem Punkt Zirkelschlüsse vorprogrammiert, da u.a. das Toponym En-Schemesch als Argument für einen aktiven Sonnenkult vorgebracht wird. Möglicherweise war die Lage des Platzes bereits in der griechisch-römischen Antike unbekannt. Die LXX übersetzt in Jos 15,7 wörtlich und schreibt ἡ πηγή ἡλίου „die Quelle der Sonne“. In Jos 18,17 setzt sie statt des Substantivs „Sonne“ das Toponym Βαιθσαμυς ein, das ansonsten für den Ortsnamen Bet-Schemesch gebraucht wird (Jos 19,22 u.ö.). Dies könnte als ein Versuch zu verstehen sein, die unbekannte Wasserstelle durch ein bekanntes Toponym darzustellen. Auch Eusebius kommentiert lediglich den biblischen Befund, indem er den Platz zum Stamm Benjamin rechnet. Im Alten Testament ist En-Schemesch nur im Josuabuch in den Grenzbeschreibungen zu Juda und Benjamin belegt (Jos 15,7; Jos 18,17). In beiden Fällen ist vorausgesetzt, dass die Waserstelle zwischen der Rogel-Quelle im Westen und Gelilot bzw. der Steige von Adummim im Osten liegt. Jos 18,7 setzt zudem voraus, dass En-Schemesch nördlich der Rogel-Quelle liegt. Daher ist für En-Schemesch eine Lage nordöstlich der Rogel-Quelle vorzustellen, die unmittelbar südlich der alten Davidstadt lokalisiert wird. En-Schemesch wird folglich östlich von Jerusalem in Richtung auf die Wüste Juda hin gesucht und nahezu einmütig an der Quelle ʿAin el-Ḥōḍ lokalisiert, die gut drei Kilometer östlich des alttestamentlichen Jerusalem unmittelbar südlich des Ortes el-ʿAzarīye, des neutestamentlichen Betanien (Mk 11; Joh 11-12 u.ö.), liegt. Allerdings scheint die Quelle vergleichsweise unauffällig zu sein. Daher wird neuerdings vorgeschlagen, nicht nur ʿAin el-Ḥōḍ selbst, sondern auch den Bergrücken von Rās el-ʿAzarīye, an dessen westlichem Fuß die Quelle liegt, mit En-Schemesch gleichzusetzen (McKinny, Charles Christopher 2016a, 61). Auch der Name der Quelle und der archäologische Befund sprechen nicht zugunsten einer Gleichsetzung mit En-Schemesch. Nach vorläufigen Angaben wurden v.a. Reste aus dem Mittelalter gefunden, darunter das Quellhaus und eine ehemalige Karawanserei. Aus der Eisenzeit II und aus römischer Zeit ist jeweils nur eine Keramikscherbe dokumentiert (Kloner, Amos u.a. 2013a, Site Nr. 542 [459]). Infolgedessen scheint die Lokalisierung von En-Schemesch an der ʿAin el-Ḥōḍ eine Verlegenheitslösung zu sein. Ähnliches gilt jedoch auch für die Alternativvorschläge. Die von Miller genannte Quelle ʿAin er-Rawābi liegt ca. 6 km nordöstlich des alttestamentlichen Jerusalem. Die Ansetzung entspringt Millers grundlegender, jedoch kaum haltbarer These, Jebus liege nördlich von Jerusalem (Miller, James Maxwell 1974a, 118–120). Die Gleichsetzung von En-Schemesch mit der ʿAin er-Rawābi wurde bereits am Ende des 19. Jahrhunderts vorgebracht (Kasteren, J.P. van 1890a, 116) und anschließend kritisch zurückgewiesen (Dalman, Gustaf 1930a, 153-158). Reich dagegen lokalisiert En-Schemesch an der Quelle ʿAin es-Sitt-Maryam / ʿAin Umm ed-Dereǧ im Kidrontal am Fuß der alten Davidstadt, wo gewöhnlich Gihon (Gihon, Quelle) gesucht wird (Reich, Ronny 2008a; Reich, Ronny 2011a, 299–304). Zu Recht weist er darauf hin, dass Gihon im Alten Testament nicht ausdrücklich als Quelle bezeichnet wird und dass die Ansetzung von En-Schemesch auf ʿAin el-Ḥōḍ  wenig substantiell begründet ist. Gihon ist nach Reichs Ansicht der Name eines ganzen Systems zur Wasserbewirtschaftung östlich und südlich der Davidstadt. Gleichzeitig belastet Reich seine These jedoch mit der Annahme, in der judäischen Königszeit ab etwa dem 9. Jh. v.Chr. sei zunächst der Name der Quelle und in der nachköniglichen Zeit ab dem 5. Jh. v.Chr. auch der Name des ganzen Systems Schiloach gewesen (vgl. Jes 8,6). Der Name En-Schemesch sei lediglich der ältere Name, wobei Reich offen lässt, welchen Zeitraum er damit meint. Der Name En-Schemesch beruhe darauf, dass am Morgen für eine kurze Zeit Sonnenstrahlen die Quelle von ʿAin es-Sitt-Maryam / ʿAin Umm ed-Dereǧ erreichen. Darüber hinaus seien für Jerusalem zumindest bis zum 7. Jh. v.Chr. Sonnenkulte nicht auszuschließen. Warum jedoch dann bereits ab etwa dem 9. Jh. v.Chr. der Name En-Schemesch nicht mehr in Gebrauch war, bleibt offen, zumal das Phänomen der morgendlichen Sonnenstrahlen und auch die erschlossenen Sonnenkulte weiterhin Bestand hatten. Zudem erzählt 1Kön 1, dass Salomo am Gihon zum Nachfolger Davids gesalbt wird (1Kön 1,33; 1Kön 1,38; 1Kön 1,45). Dies setzt voraus, dass es sich bei Gihon um einen in Jerusalem bekannten Platz, nicht um ein ganzes System zur Wasserbewirtschaftung handelte. Daher erscheint es naheliegender, bei der Gleichsetzung von ʿAin es-Sitt-Maryam / ʿAin Umm ed-Dereǧ mit Gihon (Gihon, Quelle) zu bleiben. Mit einer solchen Lokalisierung ist auch die 1Kön 1 vorausgesetzte räumliche Nähe von Gihon und Rogel-Quelle gewahrt. Für die Ansetzung von En-Schemesch ist damit lediglich gesagt, dass der Platz östlich von Jerusalem gesucht werden sollte, ohne dass eine Gleichsetzung mit der ʿAin el-Ḥōḍ  so gut begründet erscheint, wie dies in der Fachliteratur angenommen wird.

 

Autor: Detlef Jericke, 2019; letzte Änderung: 2019-10-01 10:45:02

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • EBR 7 (2013), 886 (Knauf, Ernst Axel, Art. En-Shemesh)

 

Literatur

Marti, Karl 1880a , 30 ;  Kasteren, J.P. van 1890a , 116 ;  Dalman, Gustaf 1918a , 47‒52 ;  Dalman, Gustaf 1930a , 153-159.173 ;  Abel, Félix-Marie 1933a , 454 ;  Abel, Félix-Marie 1938a , 49 ;  Noth, Martin 1953a , 88 ;  Simons, Jan 1959a , 140.173 §§ 314.326 ;  Miller, James Maxwell 1974a , 118–120 ;  Kellermann, Mechthild u.a. 1985aKellermann, Diether u.a. 1992aFritz, Volkmar 1994a , 159 ;  Vos, Jacobus Cornelis de 2003a , 325 ;  Gaß, Erasmus 2005b , 59f ;  Reich, Ronny 2008aRösel, Hartmut N. 2011a , 239 ;  Reich, Ronny 2011a , 299‒304 ;  Kloner, Amos u.a. 2013a , site Nr. 542 [459] ;  McKinny, Charles Christopher 2016a , 61 ;  Jericke, Detlef 2020a , 179–185 ;  Reich, Ronny 2021a , 12f ;