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Ramatajim

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Ramatajim-Zofim; Ramathaim; Ramathaimzophim

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

הרמתים (צופים)  hārāmātajim (ṣôpîm). Αρμαθαιμ (Σιφα)

Belege AT

1Sam 1,1

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Ραθαμιν (LXXB), Ραμαθαιμ (LXXL) (1Makk 11,34)
Ῥαμαθαιν (Josephus, antiquitates 13,127)
Ἀρμαθεμ Σειφα (Eusebius, Onomastikon 32,21–23: Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 36, Nr. 144; Timm, Stefan 2017a, 39 Zeile 4–6, Nr. 144)
Σωφειμ (Eusebius, Onomastikon 160,6: Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 150, Nr. 870; Timm, Stefan 2017a, 213 Zeile 2, Nr. 872)
 

Beschreibung

Name

Nach 1Sam 1,1 kommt Samuels Vater Elkana aus Ramatajim. Formal ist der Name ein Dual von Rama „die Höhe“. Ramatajim heißt also wörtlich „zwei Höhen“ oder „Doppelhöhe“. Daher könnte man an eine Landschaftsformation denken. Mit LXX interpretieren jedoch nahezu alle Auslegenden Ramatajim als Ortsname. Nach dem MT heißt der Ort hārāmātajim ṣôpîm Ramatajim Zofim („Ramatajim der Zofiter“). Der Sippenname „Zofiter“ bezieht sich vermutlich auf ṣûp Zuf, einen der 1Sam 1,1 genannten Vorfahren Elkanas. Darüber hinaus kennt 1Sam 9,5 das „Land Zuf“ (Gebiet von Zuf), in dem Saul auf der Suche nach den Eselinnen seines Vaters einen Gottesmann trifft, den man meist mit Samuel identifiziert. Mitunter wird daher Ramatajim Zofim als der ursprüngliche Ortsname angesehen (Dietrich, Walter 2010a, 14–16.33). Meist folgen die Kommentierenden jedoch der Interpretation der LXX, die mit Σιφα hebräisch ṣôpî „ein Zofiter“ voraussetzt (u.a. Stoebe, Hans Joachim 1973a, 88f; McCarter, P. Kyle 1980a, 51). Sie übersetzen die Passage wajehî ʾîš ʾæḥād min- hārāmātajim ṣôpî(m) mehar ʾæprājim ûšemô ʾælqānāh in 1Sam 1,1 folgendermaßen: „Einst lebte ein Mann aus Ramatajim, ein Zufiter vom Gebirge Efraim. Er hieß Elkana …“ (EÜ). In dieser Sicht ist lediglich Ramatajim der Ortsname.

Altes Testament

In den Samuelerzählungen ist ansonsten immer Rama (Rama, efraimitisch) als Heimatort Samuels und seiner Eltern genannt (1Sam 1,19; 1Sam 2,11; 1Sam 7,17; 1Sam 8,4; 1Sam 15,34; 1Sam 16,13; 1Sam 19,18). In Rama (Rama, efraimitisch) wird Samuel auch begraben (1Sam 25,1; 1Sam 28,3). LXX schreibt an den meisten der genannten Stellen Αρμαθαιμ für Rama wie in 1Sam 1,1 und setzt damit Samuels Rama mit Ramatajim gleich. Lediglich bei der Erwähnung des Prophetenhauses in Rama hat LXX den Ortsnamen Ραμα (1Sam 19,19; 1Sam 19,22-23; 1Sam 20,1). Daher nehmen die neuzeitlichen Auslegenden überwiegend an, dass das Toponym Ramatajim den Ort Rama (Rama, efraimitisch) meint. Die Dualform soll dieses efraimitische Rama/Ramatajim von anderen Orten namens Rama unterscheiden, insbesondere von Rama in Benjamin (Rama, benjaminitisch; Jos 18,25), aber auch von den gleichnamigen Orten in Ascher (Rama, Ascher; Jos 19,29) oder in Naftali (Rama, Naftali; Jos 19,36; Gaß, Erasmus 2005a, 241; Dietrich, Walter 2010a, 33). Möglicherweise ist die Namensform Ramatajim auch davon beeinflusst, dass in den Samuelerzählungen häufig der Locativ hārāmātāh „nach Rama" steht (1Sam 1,19; 1Sam 2,11; 1Sam 7,17; 1Sam 8,4; 1Sam 15,34; 1Sam 16,13; 1Sam 19,18; 1Sam 19,22), welcher zumindest vom Klang her ähnlich ist.
Darüber hinaus wird allerdings kontrovers diskutiert, ob das Rama der Samuelerzählungen identisch ist mit dem Rama in Benjamin (Rama, benjaminitisch). Häufig wird aus historisch-topographischer Sicht die Unterscheidung beider Orte verteidigt (Stoebe, Hans Joachim 1973a, 93; WiBiLex; vorsichtiger Gaß, Erasmus 2005a, 240–245). Da der Ortsname Rama häufiger vorkommt (s.o.), erscheint eine solche Differenzierung plausibel. Auf der anderen Seite werden in den Samuelerzählungen neben Rama Schauplätze wie Bet-El, Gilgal und Mizpa (1Sam 7,16 u.ö.) oder Gibea (1Sam 10; Gibea, benjaminitisch) genannt, die nach Jos 18,11-28 dem Territorium Benjamins zugeschrieben werden. Ri 4,5 lokalisiert ausdrücklich Bet-El und Rama auf dem „Gebirge Efraim“. Daher erscheint die Annahme naheliegend, dass es, analog zu Bet-El, nur ein Rama auf dem zentralpalästinischen Bergland gab, das in den alttestamentlichen Texten abwechselnd Efraim oder Benjamin zugerechnet wird (vgl. ABD 5, 613f). Diese These wird gestützt durch Untersuchungen, die zu dem Schluss kommen, dass der „Stamm“ Benjamin bis in die israelitische Königszeit hinein lediglich ein südlicher Annex an Efraim war (Miller, James Maxwell 1999a; Lipschits, Oded 2020a).

Lokalisierung

Die Lokalisierung von Ramatajim hängt davon ab, wie das Verhältnis zum Toponym Rama bestimmt wird.
Sieht man Ramatajim oder Ramatajim Zofim als eigenständige Orts- oder Landschaftsangabe, könnte man 1Makk 11,34 heranziehen. Der Vers erzählt, dass der seleukidische König Demetrius II. die drei Bezirke Aphairema (Efraim), Lydda (atl. Lod/Ludd) und Ramatajim (Ραμαθαιμ LXXL, Ραθαμιν LXXB), die ursprünglich zu Samaria gehörten, dem Jerusalemer Hohenpriester Jonatan bzw. dem Territorium Judas überlässt (Raviv, Dvir 2019a); vgl. Josephus, antiquitates 13,127. Eusebius nimmt diese Information bei der Lokalisierung von Ramatajim auf. Er identifiziert den Ort mit dem neutestamentlichen Arimathäa (Mt 27,57 u.ö.) und lokalisiert dieses in Ῥεμθις (lateinisch Remfthis; vgl. Timm, Stefan 2017a, 190* Zeile 3) in der Nähe von Diospolis, dem Lydda von 1Makk 11,34 (neben Onomastikon 32,21–23 noch Onomastikon 144,27–29: Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 137, Nr. 784; Timm, Stefan 2017a, 190 Zeile 2–4, Nr. 786). Ῥεμθις/Remfthis und demzufolge auch das Ramatajim von 1Makk 11,34 bzw. Josephus wird gern mit dem heutigen Ort Rentīs gleichgestzt, der ca. 25 km östlich des altttestamentlichen Jafo und ca. 15 km nordöstlich von Lydda/Diospolis (Ludd 1405.1515; 31.948381º N, 34.889542º E) liegt (Abel, Félix-Marie 1938a, 428f; Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 158f; Jericke, Detlef / Schmitt, Götz 1992a; Jericke, Detlef / Schmitt, Götz 1993a; Schmitt, Götz 1995a, 288). Die von Eusebius vorgenommene Gleichsetzung könnte auch dann zutreffen, wenn Ramatajim mit dem efraimitischen Rama (Rama, efraimitisch) der Samuelerzählungen gleichgesetzt wird, da der Ort im Süden des Territoriums liegt, das nach alttestamentlicher Darstellung Efraim zugerechnet wird (Stoebe, Hans Joachim 1973a, 89; Gaß, Erasmus 2005a, 243; WiBiLex; Dietrich, Walter 2010a, 33f). Der archäologische Oberflächenbefund von Rentīs weist auf eine Besiedlung von der Eisenzeit II bis in die byzantinische Zeit (Finkelstein, Israel u.a. 1997a, 179–181; Hofeditz, Ulrich 2020a, 71). Er umfasst demnach die alttestamentliche Zeit, die hellenistisch-römische Zeit (Makkabäerbücher, Josephus) und die Zeit des Eusebius. Allerdings listet Eusebius für den vermeintlich zweiten Namensteil des alttestamentlichen Toponyms (ṣôpîm Zofim) ein eigenes Lemma (Σωφειμ). Insofern bleibt offen, ob seine Interpretation für die Lagebestimmung des 1Sam 1,1 genannten Orts herangezogen werden kann.
Vereinzelt wird für die Lokalisierung von Ramatajim bzw. Arimathäa Bēt Rīmā vorgeschlagen (Wiener, Harold M. 1927a). Der Ort liegt ca. 8 km östlich von Rentīs und war nach spärlichen Oberflächenbefunden in der Eisenzeit, in persischer Zeit und in römisch-byzantinischer Zeit besiedelt (vgl. Finkelstein, Israel 1988a, 168f; Finkelstein, Israel u.a. 1997a, 279f; zur Lage Jericke, Detlef / Schmitt, Götz 1992a). Der Vorschlag hat jedoch wenig Zustimmung gefunden (vgl. Stoebe, Hans Joachim 1973a, 89; Neef, Heinz-Dieter 1995a, 56; Gaß, Erasmus 2005a, 243; WiBiLex; Dietrich, Walter 2010a, 33f).
Dagegen wird die Gleichsetzung von Ramatajim/Rama mit der Ḫirbet Raddāne ernsthaft diskutiert (Kellermann, Diether u.a. 1992a). Der Platz liegt im Norden der heutigen Stadt Ramallāh ca. 4 km südwestlich des alttestamentlichen Bet-El (Bētīn), demnach im Grenzbereich der Efraim und Benjamin zugeschriebenen Territorien. Die Lage könnte zu dem Weg passen, den Saul nach der Erzählung von 1Sam 9 geht und auf dem er das „Land Zuf“ (Gebiet von Zuf) passiert (s.o.; Edelman, Diana Vikander 1988a, 56–58; vgl. Gaß, Erasmus 2005a, 242f). Auf Ḫirbet Raddāna befand sich lediglich in der Eisenzeit I (ca. 12. bis 10. Jh. v.Chr.) eine Siedlung, ein für diese Zeit typisches Berglanddorf, das aus mehreren Pfeilerhäusern bestand (NEAEHL 4, 1253f; Lederman, Zvi 1999a; Zwingenberger, Uta 2001a, 141‒144; WiBiLex 2014). Da jedoch die Samuelerzählungen vermutlich erst in späterer Zeit formuliert wurden, muss nicht zwingend nach einem Platz gesucht werden, der in vorköniglicher Zeit, d.h. in der Eisenzeit I besiedelt war.
Sollte Samuels Ramatajim/Rama mit dem benjaminitischen Rama identisch sein, käme eine Gleichsetzung mit dem heutigen er-Rām in Frage (ABD 5, 613f). Der Ort liegt jetzt  im Norden Groß-Jerusalems, in alttestamentlicher Zeit war der Platz ca. 9 km nördlich der Davidstadt (Kellermann, Diether u.a. 1992a). Dies entspricht der Nähe zu Geba (Ǧebaʿ, vgl. Jes 10,29), das ca. 2,5 km weiter östlich liegt (Kellermann, Mechthild u.a. 1985a). Auch die Angaben bei Josephus (antiquitates 12,303: 40 Stadien = ca. 7,5 km von Jerusalem) und bei Eusebius, der schreibt, Rama liege 6 römische Meilen nördlich von Jerusalem (Onomastikon 144,14f: Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 136, 774; Timm, Stefan 2017a, 189 Zeile 1f, 777), stützen diese Lokalisierung (Jericke, Detlef / Schmitt, Götz 1993a; Gaß, Erasmus 2005a, 241f; WiBiLex; Dietrich, Walter 2010a, 34). Oberflächenbefunde deuten auf eine nahezu durchgehende Besiedlung von der Eisenzeit bis zur ottomanischen Zeit, die Hauptbesiedlungsphasen lagen vermutlich in der Eisenzeit II und in byzantinischer Zeit (Finkelstein, Israel / Magen, Yitzhak 1993a, 168f No. 188; Gaß, Erasmus 2005a, 244). Insofern kann es sich um einen Platz handeln, der sowohl in alttestamentlicher Zeit als auch in der Zeit des Eusebius existierte.


 

 

Autor: Detlef Jericke, 2020; letzte Änderung: 2021-06-29 17:40:12

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • NBL 3 (2001), 277f (Zwickel, Wolfgang, Art. Rama)
  • ABD 5 (1992), 613f (Arnold, Patrick M., Art. Ramah)
  • NEAEHL 4 (1993), 1253f (Callawy, Joseph A., Art. Raddana, Khirbet)
  • WiBiLex 2007 (Koenen, Klaus, Art. Rama); 2014 (Koenen, Klaus, Art. Chirbet Raddana)

 

Literatur

Thomsen, Peter 1907a , 24 ;  Wiener, Harold M. 1927aAbel, Félix-Marie 1938a , 428f ;  Simons, Jan 1959a , 307.414f §§ 646-7.1163.1173-5 ;  Stoebe, Hans Joachim 1973a , 88–94 ;  Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a , 158f ;  McCarter, P. Kyle Jr. 1980a , 51–58 ;  Edelman, Diana Vikander 1988a , 54–58 ;  Kellermann, Diether u.a. 1992aJericke, Detlef / Schmitt, Götz 1992aJericke, Detlef / Schmitt, Götz 1993aSchmitt, Götz 1995a , 288 ;  Finkelstein, Israel u.a. 1997a , 179–181 ;  Lederman, Zvi 1999aMiller, James Maxwell 1999a , 62f ;  Zwingenberger, Uta 2001a , 141‒144 ;  Gaß, Erasmus 2005a , 240–245 ;  Zilberbod, Irina 2008aDietrich, Walter 2010a , 14–35 ;  Raviv, Dvir 2019aHofeditz, Ulrich 2020a , 71 ;  Edrey, Meir / Khamisy, Rabei 2021a