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Weitere Namen
Hinnom-Tal; Ben-Hinnom-Tal; Tal Hinnom; Tal der Söhne Hinnoms; valley of Hinnom; valley of Ben-hinnom; valley of the children of Hinnom; valley of the son of Hinnom
Lokalisierungsvorschläge
Namensformen AT
גיא־הנם ,גי־הנם ,גיא־בן־הנם ,גי־בן־הנם gê(ʾ)(-bæn)-hinnom. ἡ φάραγξ υἱοῦ Εννομ, ἡ φάραγξ Ονομ, ἡ νάπη Ονναμ, τὸ πολυάνδριον υἱοῦ Εννομ, Γαιβενενομ, Γαι-βαναι-εννομ
Belege AT
Jos 15,8; Jos 18,16; 2Kön 23,10; Jer 7,31-32; Jer 19,2; Jer 19,6; Jer 32,35 (LXX Jer 39,35); Neh 11,30; 2Chr 28,3; 2Chr 33,6
Belege NT
ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)
Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit
gjhnm (aramäisch: Montgomery, James A. 1908a, 32; Bieberstein, Klaus 2001a, 525)
γέεννα (Mt 5,22; Mt 5,29-30; Mt 10,28; Mt 18,9; Mt 23,15; Mt 23,33; Mk 9,43; Mk 9,45; Mk 9,47; Lk 12,5; Jak 3,6; Eusebius, Onomastikon: Klostermann 70,3; Timm 84,3, Nr. 332)
Γαιεννούμ / Γαὶ Ἐννούμ (Eusebius, Onomastikon: Klostermann 70,2-4: Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 68, Nr. 332; Timm, 84,2–4, Nr. 332)
Κοιλὰς Ἰωσαφατ (Eusebius, Onomastikon: Klostermann 118,18f; Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 114, Nr. 618; Timm, 151,4f, Nr. 621)
φάραγξ Ἐννομ (Eusebius, Onomastikon: Klostermann 170,8–10; Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 159, Nr. 934; Timm, 229,4–6, Nr. 936)
g(j)hnm („judäo-arabisch“: Fragment aus der Kairoer Geniza, Zeile 10 und Zeile 25: Alobaidi, Saleh-Joseph u.a. 1987a, 40.43.67f).
Beschreibung
Name
Da der Name Hinnom nicht aus dem Semitischen abzuleiten ist, wird mitunter angenommen, dass es sich um den Namen eines nichtisraelitischen Bewohners Jerusalems handelte (Küchler Max 2007a, 754; EBR 11, 1095f). Allerdings fehlen positive Belege für diese Vermutung. Der MT zeigt kleinere Varianten in der Schreibung des Toponyms. Wenn der Ortsname, wie an den Belegstellen im Josuabuch, zwei Mal kurz hintereinander genannt ist, steht bei der Zweiterwähnung die Kurzform „Tal Hinnom“ anstelle der Langform „Tal des Sohnes des Hinnom“. Dies entspricht einem im MT breit belegten Verfahren, bei der Wiederholung einer Ortsangabe innerhalb desselben Erzählzusammenhangs eine kürzere Form zu wählen (vgl. 1Kön 17,3-7 zum Bach Kerit; 1Sam 11,1-9 zu Jabesch-Gilead).
LXX gibt mit den Wendungen ἡ φάραγξ υἱοῦ Εννομ „das Tal des Sohnes des Ennom“ (2Kön 23,10; Jer 7,31-32; Jer 32,35 [LXX Jer 39,35]) und ἡ φάραγξ Ονομ „das Tal Onom“ (Jos 15,8) das hebräische Toponym vergleichsweise exakt wieder. Daneben findet sich der Name ἡ νάπη Ονναμ „das Waldtal (des) Onnam“ (Jos 18,16), der möglicherweise eine Charakteristik des Tals hervorheben will. In Jer 19 wird der inhaltlich neutrale Landschaftsbegriff ἡ φάραγξ durch das negativ konnotierte Wort τὸ πολυάνδρ(ε)ιον „das Gräberfeld“ bzw. „das Massengrab“ ersetzt (zur Wortbedeutung vgl. 1Makk 9,4; 1Makk 9,14). Die Variante nimmt die Tradition auf, nach der Könige Judas im Hinnomtal an einem Tofet genannten Platz ihre Kinder für die Gottheit Moloch verbrennen ließen (s.u.). Jer 19,2 übersetzt die Ortsangabe Hinnom gar nicht, sondern redet vom πολυάνδριον υἱῶν τῶν τέκνων αὐτῶν, vom „Massengrab der Söhne ihrer Kinder“, und spielt so auf die 2Kön 23,10 und Jer 7 als obsolet qualifizierte Praxis an. Der griechische Text der Chronik bietet schließlich nur mehr Transliterationen des hebräischen Toponyms, Γαιβενενομ (2Chr 28,3) bzw. Γαι-βαναι-εννομ (2Chr 33,6). Durch die symbolische Deutung in der LXX des Jeremiabuchs ging augenscheinlich die Kenntnis über den Verlauf des Hinnomtals bzw. das Interesse an seiner Lokalisierung verloren.
Altes Testament
Im Josuabuch werden das Hinnomtal und der Berg, der „gegenüber“ dem Hinnomtal liegt, als Markierungspunkte der Nordgrenze Judas (Jos 15,8) und der Südgrenze Benjamins erwähnt (Jos 18,16). Nach diesen Texten lag das Tal zwischen der Rogel-Quelle im Osten und der Rafaïterebene im Westen. Zwischen der Rogel-Quelle und dem Hinnomtal ist noch der Bergrücken der Jebusiter aufgelistet, der nördlich (Jos 15,8) bzw. östlich des Tals liegen soll (Jos 18,16). Der Bergrücken selbst kann jedoch lediglich aufgrund der topographischen Relation zum Hinnomtal lokalisiert werden. Daher sind die entsprechenden Angaben für die Bestimmung der Lage des Tals nicht hilfreich. Lediglich Neh 11,30 erwähnt das Hinnomtal noch in einer topographischen Angabe. Der Vers schließt eine Ortsliste zu Juda (Neh 11,25–30) mit der Notiz ab, dass die Judäer „von Beerscheba bis zum Hinnomtal“ siedelten. Die Wendung variiert die für ganz Israel gebräuchliche Formel „von Dan bis Beerscheba“ (Ri 20,1 u.ö.). Das Hinnomtal als Nordgrenze Judas nimmt dabei möglicherweise die Grenzbeschreibung zu Juda auf, in der das Tal ebenfalls als Teil der Nordgrenze genannt ist (Jos 15,8; s.o.).
Alle weiteren Belegstellen handeln davon, dass einige Könige Judas wie Ahas (2Chr 28,3) und Manasse (2Chr 33,6) am Tofet im Hinnomtal ihre Kinder für den „Moloch“, d.h. für die nordlevantinische Unterweltgottheit Mālik (Bieberstein, Klaus 2001a, 514–518; Stipp, Hermann-Josef 2019a, 332–338) „durchs Feuer gehen lassen“. Erst Joschija soll diese Stätte unrein gemacht haben, um die Praxis des Kinderopfers zu unterbinden (2Kön 23,10). Das Jeremiabuch erweitert die Vorwürfe dahingehend, dass das Hinnomtal zum verfluchten Ort und zum Schauplatz des endzeitlichen Gerichts wird. Nach Jer 7 ist die in 2Kön 23,10 ausdrücklich mit dem Hinnomtal in Verbindung gebrachte Praxis eine Ursache für Jhwhs Gericht über Juda und Jerusalem. Jer 19,6 führt diese Linie weiter mit der Formulierung, dass Tofet und Hinnomtal nach dem Gericht Jhwhs gêʾ haharegāh „Tal des Mordens“ heißen werden (Maier, Christl 2002a, 118–124; Stipp, Hermann-Josef 2019a, 338–340).
Nachalttestamentliche Traditionen
Die nachalttestamentlichen Belege setzen die im Jeremiabuch beobachtete Tendenz fort, das Hinnomtal zu einem symbolischen Ort zu gestalten. In der aramaisierten Form gjhnm und in der Bezeichnung γέεννα, wie sie im Neuen Testament mehrfach zu finden ist, ist aus der Landschaftsbezeichnung der Schauplatz eines endzeitlichen Gerichts geworden (vgl. Mt 5,22). Neben dem Jeremiabuch spielt das Henochbuch eine traditionsbildende Rolle. Die im äthiopischen Henochbuch genannte Schlucht der Verfluchten bzw. des endzeitlichen Gerichts (äthHen 27,2–4; 90,26) wird meist auf das Hinnomtal und die mit diesem verbundenen alttestamentlichen Überlieferungen gedeutet (Wacker, Marie-Theres 1982a, 234–257; JSHRZ V/6, 563f.702; Nickelsburg, George W.E. 2001a, 317–319.402–404; Bieberstein, Klaus 2001a, 523–525). Von daher ist vielleicht zu verstehen, dass Josephus das Hinnomtal in der Beschreibung Jerusalems nicht erwähnt (bellum 5,136–183), obwohl er mit dem Kidrontal (bellum 5,70.147) und dem Stadt- oder Käsemacher-Tal (ἡ δὲ τῶν τυροποιῶν προσαγορευομένη φάραγξ; bellum 5,140) zwei der drei Täler nennt, die Jerusalems Topographie prägen. Möglicherweise waren der Name „Hinnomtal“ bzw. von diesem Namen abgeleitete griechische Namensformen nicht mehr als topographische, sondern nur mehr als symbolische Bezeichnungen bekannt.
Das Onomastikon des Eusebius zeigt ähnliche Schwierigkeiten im Umgang mit dem alttestamentlichen Toponym. Zunächst schreibt Eusebius unter dem Lemma Γαιεννούμ, gemeint sei φάραγξ τοῦ Ἐννούμ „das Hinnomtal“, von dem gesagt werde, es sei ἡ gέεννα (Onomastikon 70,2–4). Er scheint demnach nicht überzeugt zu sein von der Gleichsetzung des Hinnomtals mit Gehenna, was aufgrund der neutestamentlichen Überlieferung verständlich ist, die Gehenna im endzeitlichen Nirgendwo lokalisiert. Ähnliche Vorbehalte werden deutlich beim Stichwort φάραγξ Ἐννομ, wenn Eusebius zunächst sagt, dies heiße hebräisch Γῆ Ἐννομ, um dann hinzuzufügen, dass „manche“ (τινές) sagen, es sei ἡ gέεννα. Gleichzeitig gibt er an, das Tal heiße bis zu seiner Zeit φάραγξ Ἰωσαφατ „Tal Joschafat“ (Onomastikon 170,8–10). Im Joelbuch ist das Tal Joschafat als Ort des Endgerichts bzw. als „Tal der Entscheidung“ gekennzeichnet (Jo 4,2; Jo 4,14). Dabei bleibt offen, wo dieses Tal gedacht ist. Eusebius lokalisiert es zwischen Jerusalem und dem Ölberg (Onomastikon 118,18f), wo er auch das Hinnomtal verortet (προσπαράκειται τῷ τείχει Ἱερουσαλὴμ πρὸς ἀνατολάς „an der Mauer östlich von Jerusalem“; Onomastikon 70,3f). Das dort verlaufende Tal ist heute jedoch unter dem Namen Kidrontal geläufig.
Lokalisierung und archäologischer Befund
Bis in das 19. Jahrhundert hinein folgte man bei der Lokalisierung des Hinnomtals den Angaben des Eusebius und setzte es mit dem östlich Jerusalems verlaufenden Wādī el-Ǧoz gleich, das weiter im Südosten Wādī en-Nār genannt wird und heute als Kidrontal bekannt ist. Gegen eine solche Ansetzung sprechen die Grenzbeschreibungen in Jos 15 und Jos 18, in denen das Hinnomtal von der Rogel-Quelle unterschieden wird, die östlich des Tals vorzustellen ist (Jos 15,8; Jos 18,6). Nach der breit akzeptierten Gleichsetzung der Rogel-Quelle mit der Wasserstelle Bīr ʿAyyūb ist die Quelle jedoch selbst ein Teil des Talsystems des Wādī el-Ǧoz / Wādī en-Nār. Zudem sollte nach den genannten Grenzbeschreibungen das Hinnomtal südlich von Jerusalem in Ost-West-Richtung verlaufen und nicht wie das Wādī el-Ǧoz / Wādī en-Nār in nordsüdlicher Richtung östlich der Stadt.
Daher wird heute das alttestamentliche Hinnomtal zumeist mit dem Tal gleichgesetzt, das auch in der modernen Stadt-Topographie Jerusalems als Hinnomtal bezeichnet wird. Sein traditioneller arabischer Name Wādī er-Rabābe ist kaum noch bekannt. Der Ausgangspunkt des Tals liegt bei den Mamilla-Teichen ca. 500 m westlich des Jaffa-Tors (BHH 2, Tafel 27; WiBiLex, Hinnomtal, 2.). Es geht an der westlichen Altstadtmauer Jerusalems entlang, biegt dann nach Osten ab und verläuft südlich der Altstadtmauer, um nur wenig oberhalb der Rogel-Quelle in das Kidrontal einzumünden (Bieberstein Klaus 1992a; Bieberstein, Klaus 1992b). Das Wādī er-Rabābe entspricht den alttestamentlichen Angaben zum Hinnomtal, da es vom Westen Jerusalems in den äußersten Südosten der antiken Stadt verläuft und somit als topographischer Anhaltspunkt zwischen der Rafaïterebene im Südwesten und der Rogel-Quelle im Südosten dienen konnte. Nach der Konstruktion der Landverteilungstexte im Josuabuch verlief die Grenze zwischen Benjamin und Juda südlich von Jerusalem. Dies trifft zumindest auf den Unterlauf des Wādī er-Rabābe zu, der sich am Südfuß des in alttestamentlicher Zeit ummauerten Stadtgebiets hinzieht. Damit entspricht das Tal auch der Notiz von Neh 11,30 zur nördlichen Erstreckung der von Judäern bewohnten Orte in persischer und frühhellenistischer Zeit.
Der archäologische Befund aus dem Wādī er-Rabābe wird gern mit der chtonisch geprägten Konnotierung des Hinnomtals in alttestamentlichen und nachalttestamentlichen Texten in Zusammenhang gebracht. Nahezu im gesamten Bereich des Tals wurden an den Abhängen Grabanlagen freigelegt. Sie stammen aus der späteren Eisenzeit II (8.–6. Jh. v.Chr.) sowie aus der hellenistischen, römischen und byzantinischen Zeit. Teilweise sind noch Nutzungen bis in die osmanische Zeit dokumentiert (Galling, Kurt 1936a; Reich, Ronny 2000a; Kloner, Amos / Davis, David 2000a; Küchler, Max 2007a, 753–789; WiBiLex, Hinnomtal, 3.1.). Die bekannteste Grabanlage befindet sich am westlichen Abhang des Tals in dem Bereich, in dem das Tal nach Osten abbiegt. An dem Ketef Hinnom („Schulter / Bergrücken des Hinnom“) genannten Fundplatz wurden u.a. sieben Felskammergräber aus der späten Eisenzeit II (7./6. Jh. v.Chr.) freigelegt. Nachbestattungen sind für die hellenistische und römische Zeit belegt. In einer Grabkammer fanden sich zwei beschriftete Silberamulette, die neben Segenswünschen auch Teile des sogenannten aaronitischen Segens (Num 6,24-26) enthalten (Barkay, Gabriel 1994a; Barkay, Gabriel 2000a; Küchler, Max 2007a, 780–789. Zu verschiedenen Lesarten und Interpretationen der Texte Renz, Johannes / Röllig, Wolfgang 1995a, 447–456; Liwak, Rüdiger 2001a = Liwak, Rüdiger 2013a, 34–64; Barkay, Gabriel u.a. 2004a; Berlejung, Angelika 2008a; Naʾaman, Nadav 2011d). Die Gräber aus alttestamentlicher und nachalttestamentlicher Zeit können allerdings lediglich als ergänzendes Argument für die Gleichsetzung des Hinnomtals mit dem Wādī er-Rabābe herangezogen werden, da auch im Kidrontal vergleichbare Anlagen entdeckt wurden (Ussishkin, David 1993a; Avni, Gideon u.a. 2000a; Küchler, Max 2007a, 670–746).
Einen alternativen Lokalisierungsvorschlag hat Miller vorgelegt (Miller, James Maxwell 1974a, 118-121). Er unterscheidet in historisch-topographischer Sicht Jebus von Jerusalem und findet Jebus in Šuʿfāt ca. 7 km nördlich des alttestamentlichen Jerusalem, heute ein Stadtteil Groß-Jerusalems. Dort lokalisiert er auch den Bergrücken der Jebusiter. Demzufolge muss er weitere im Textzusammenhang von Jos 15,7-8 und Jos 18,16 genannte Toponyme wie die Rogel-Quelle, die Rafaïterebene und das Hinnomtal ebenfalls in der genannten Region identifizieren. Den Namen „Hinnom“ sieht er in Bēt Ḥanīnā (1698.1373; 31.829649º N, 35.209269º E) knapp 2 km nordwestlich von Šuʿfāt erhalten. Das Hinnomtal selbst soll im Wādī Bēt Ḥanīnā zu finden sein, wobei die genaue Lage dieses Trockentals unklar bleibt. Alle entsprechenden Täler in der Umgebung von Bēt Ḥanīnā verlaufen in nordsüdlicher Richtung, was den Jos 15,8 und Jos 18,16 zu entnehmenden Angaben zu einem ostwestlichen Verlauf des Hinnomtals nicht entspricht. Da das Hinnomtal die Grenze zwischen Juda im Süden und Benjamin im Norden markieren soll, müsste man darüber hinaus annehmen, dass nur ein deutlich südlich von Bēt Ḥanīnā gelegener Talabschnitt gemeint sein kann, wenn das zu Benjamin gerechnete Jebus (Jos 18,28) an der Stelle des heutigen Šuʿfāt und damit erkennbar südöstlich von Bēt Ḥanīnā gelegen haben sollte. Insofern wurden die Vorschläge Millers in der Fachliteratur nicht weiterverfolgt.
Autor: Detlef Jericke, 2020; letzte Änderung: 2021-05-07 11:44:16
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