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Weitere Namen
Pison; Pishon
Lokalisierungsvorschläge
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Kārūn (Fachliteratur)
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Nahr el-Baliḫ (Fachliteratur)
Namensformen AT
פישון pîšôn. Φισων. „Sprudelndes Wasser“
Belege AT
Gen 2,11
Belege NT
ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)
Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit
Φισων (Sir 24,25)
Φεισων (Josephus, antiquitates 1,38; Eusebius, Onomastikon 166,7: Notley, R. Steven / Safrai, Ze’ev 2005a, 155, Nr. 913)
Phison (Theodosius 16: Geyer, Paulus 1898a, 144; Donner, Herbert 2002a, 203)
pjšwn (Targume: Díez Macho, Alejandro 1988a, 14f)
Beschreibung
Pischon ist in der „Paradiesgeographie“ (Gen 2,10−14) der erste der vier Flüsse, in die sich der von Eden ausgehende „Strom“ aufteilt. Der Pischon soll das „ganze Land Hawila“ umfließen (Gen 2,11). Da Eden „im Osten“ liegen soll (Gen 2,8), werden seit einer einflussreichen Studie von Friedrich Delitzsch (Delitzsch, Friedrich 1881a) die in der „Paradiesgeographie“ genannten Toponyme häufig im Zweistromland gesucht. Der Quellbereich des Nahr el-Baliḫ, einem Nebenfluss des Eufrat im nördlichen Zweistromland, wird unter der Voraussetzung vorgeschlagen, dass Eden das aramäische Kleinkönigtum bīt-adini meint. Meist werden jedoch Gewässer im südlichen Mesopotamien für eine Gleichsetzung mit dem Pischon erwogen, etwa der aus dem Zagrosgebirge kommende und in den Šaṭṭ al-‘Arab, das gemeinsame Delta von Eufrat und Tigris mündende Fluss Kārūn, der neuassyrisch uqnū und in Dokumenten der griechisch-römischen Zeit Pasitigris heißt (Hölscher, Gustav 1949a; Dietrich, Manfried 2001a), oder Kanäle am Unterlauf des Eufrat (Delitzsch, Friedrich 1881a). Noch weiter gehen Vorschläge, die den Pischon auf dem indischen Subkontinent suchen. Dabei wird neben dem Indus bzw. einem seiner Quellflüsse (Delitzsch, Franz 1887a, 82f; König, Eduard 1925a, 209−215) auch der Ganges genannt (Josephus; Eusebius). Diese Optionen berufen sich darauf, dass auch in Indien das Gen 2,12 erwähnte Bedelliumharz zu finden ist und dass antike Quellen mitunter eine Verbindung zwischen Indus und Nil annehmen und so die Verbindung zwischen Pischon und Hawila bzw. Gihon (Gihon, Strom) und Kusch erklären. Dem entspricht das Zeugnis von Josephus und dem vermutlich an dieser Stelle von ihm abhängigen Eusebius, nach denen der Φεισων der Fluss ist, den die Griechen Ganges nennen. Auch die Targume weisen auf den indischen Subkontinent, wenn sie das „Land Hawila“ mit Indien gleichsetzen (hndqj/hndjn, vgl. Díez Macho, Alejandro 1988a, 14f.168f). Da der Ausdruck miqqædæm in Gen 2,8 jedoch auch als „am Anfang, ursprünglich“ übersetzt werden kann (vgl. u.a. Ps 74,12; Ps 76,6; Ps 76,12), verstehen neuere Auslegungen die „Paradiesgeographie“ als mythische oder symbolische Geographie, ohne jedoch ganz auf eine Lokalisierung der Flüsse zu verzichten (Görg, Manfred 1987a; Soggin, Jan Alberto 1997b; Stordalen, Terje 2008a). Meist wird der Pischon dabei mit dem Nil in Verbindung gebracht. Vermutlich ist der Oberlauf des Nils gemeint, wenn das Land Hawila, das der Pischon umfließen soll, das ganze „Sandland“, also Arabien und die an den Golf von Suez angrenzenden Regionen Nubiens meint. Naheliegend erscheint deshalb der Vorschlag, die beiden ersten Flüsse der „Paradiesgeographie“, den Pischon und den Gihon, mit den beiden Quellflüssen des Nils, dem Blauen und dem Weißen Nil, zu identifizieren. Da die Existenz dieser Quellflüsse bis in die Neuzeit hinein zwar erschlossen, ihr Verlauf jedoch nicht bekannt war (vgl. Herodot 2,28-34), verwendet die „Paradiesgeographie“ symbolische Namen, die sich von den Wurzeln pwš „springen, sprudeln“ und gjḥ/gwḥ „hervorbrechen“ herleiten lassen und so auf den Quellbereich des Nils verweisen. Für eine Gleichsetzung mit dem Pischon käme in diesem Fall der östlichere der beiden Quellflüsse, der Blaue Nil, in Frage, der im Bergland von Äthiopien beim Tana-See entspringt. Die „Paradiesgeographie“ versucht somit, mittels zweier Flusspaare die beiden großen Kulturlandschaften der im 1. Jt. v.Chr. bekannten Welt zu beschreiben: das Land am Nil und Mesopotamien. Sie teilt dabei den Nil in seine beiden Quellflüsse Pischon und Gihon, um auf diese Weise ein literarisches Äquivalent zu den zwei bekannten Flüssen im Osten (Tigris und Eufrat) zu erhalten.
Autor: Detlef Jericke, 2015; letzte Änderung: 2019-10-15 11:00:14
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Lexikonartikel
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BHH
3 (1966), 1476 (Ringgren, Helmer, Art. Pison)
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NBL
3 (2001), 152 (Görg, Manfred, Art. Pischon)
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ABD
5 (1992), 374 (Müller, Walter W., Art. Pishon)
Literatur
Delitzsch, Friedrich 1881a ;
Delitzsch, Franz 1887a , 82f ;
Albright, William Foxwell 1922a ;
König, Eduard 1925a , 209−215 ;
Hölscher, Gustav 1949a , 35-44 ;
Speiser, Ephraim Avigdor 1959a ;
Cassuto, Umberto 1961a , 114-121 ;
Gispen, Willem H. 1966a ;
Speiser, Ephraim Avigdor 1967a ;
Westermann, Claus 1974a , 296 ;
Görg, Manfred 1987a ;
Högemann, Peter u.a. 1987a ;
Görg, Manfred 1991a , 13-15 ;
Speiser, Ephraim Avigdor 1994a ;
Sauer, James A. 1996a ;
Soggin, Jan Alberto 1997b ;
Stordalen, Terje 2000a , 278f ;
Dietrich, Manfried 2001a ;
Jericke, Detlef 2013a , 26−28 ;
Breyer, Francis 2019a , 94 ;
Chavalas, Mark W. 2022a ;
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