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Ofra, benjaminitisch

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Ophra

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

עפרה  ʿåprāh. Εφραθα, Αφρα, Γοφερα

Belege AT

Jos 18,23; 1Sam 13,17

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Ἀφρα (Eusebius, Onomastikon: Klostermann 28,4f; Timm 31,7f, Nr. 100; Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 30, Nr. 100)
Ὀφρα (Eusebius, Onomastikon: Klostermann 142,2; Timm 184,8, Nr. 761;  Notley, R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 134, Nr. 758)

Beschreibung

Name

Der Name ʿåprāh wird gern von ʿāpār „Staub“ oder von ʿopær („Hirschkalb“, „Gazellenjunges“; vgl. Hld 2,9; Hld 2,17; Hld 8,14) abgeleitet (Gaß, Erasmus 2005a, 20f, mit weiteren, weniger wahrscheinlichen Vorschlägen). Sowohl mit Staub zusammenhängende Erscheinungen als auch Gazellen sind Naturphänomene im palästinischen Bergland, insbesondere an dessen relativ trockenen Ostabhängen, wo der Ort Ofra zu suchen ist. Der Befund der LXX ist komplexer. LXXA transkribiert in Jos 18,23 und schreibt Αφρα, womit vermutlich die zeitgenössische Aussprache des hebräischen Namens wiedergegeben wird. Auf diese Art unterscheidet LXXA zwischen dem zu Benjamin gerechneten Ofra und dem gleichnamigen Ort in Manasse (Εφραθα; vgl. Ofra, manassitisch). LXXB dagegen hat auch in Jos 18,23 Εφραθα. Damit wird terminologisch nicht nur eine Verbindung zum Ofra in Manasse hergestellt, sondern auch zum Toponym Efrata, das mit Betlehem in Juda gleichgesetzt ist, wobei allerdings auch nördlich von Jerusalem im Territorium von Efraim, das dem Gebiet von Benjamin benachbart ist und sich mit diesem teilweise überschneidet, Efratiter bezeugt sind (1Kön 11,26). Möglicherweise war in hellenistisch-römischer Zeit der Name Ofra nicht mehr gebräuchlich (s.u.) und wurde im Laufe der LXX-Überlieferung durch ein zeitgenössisch vertrautes Toponym Εφραθα ersetzt, das vom Konsonantenbestand her dem hebräischen Namen entspricht und zumindest partiell in die Region weist, in der die beiden Ofra vermutet wurden. Dass Ofra zur Zeit der Abfassung der LXX nicht mehr als aktueller Ortsname bekannt war, deutet auch die von Jos 18,23 abweichende Schreibung Γοφερα in 1Sam 13,17 an.
Häufig wird davon ausgegangen, dass Ofra in Benjamin identisch ist mit dem Ort Efron (Efron, Ort), der nur 2Chr 13,19 erwähnt wird. Dem Textzusammenhang nach lag dieses Efron bei Bet-El, ähnlich dem benjaminitischen Ofra (Jos 18,22-23). Mitunter wird auch Efraim (2Sam 13,23; Efraim, Ort) als anderer Name für Ofra/Efron verstanden, u.a. deshalb, weil das qe zu Efron in 2Chr 13,19 ʿæprajin für ʿæprôn (ketîb) angibt. Allerdings spricht das anlautende Alef von Efraim (ʾæprājim) in 2Sam 13,23 gegen eine Gleichsetzung mit Ofra, das mit anlautendem ʿAjin geschrieben wird. Lediglich die lukianische Rezension der LXX (LXXL) in 2Sam 13,23 deutet mit der Schreibung Γοφραιμ für Efraim an, dass das Toponym möglicherweise ursprünglich mit ʿAjin geschrieben wurde (vgl. u.a. griechisch Γοφερα für hebräisch ʿåprāh in 1Sam 13,17 bzw. in 1Chr 4,14 [PN] oder Γαζα für hebräisch ʿazzāh Gaza). Die Hauptzeugen der LXX stützen jedoch die Gleichung von Ofra mit Efron (Εφρων) und Efraim (Εφραιμ) nicht, zumal sie für Ofra keine mit Εφρων oder Εφραιμ gleichlautenden Namensformen bieten (s.o.). Auch die Vermutung, Ofra, Efron (Efron, Ort) und Efraim (Efraim, Ort) seien zu verschiedenen Zeiten Namen derselben Ortschaft gewesen (Schunck, Klaus-Dietrich 1961a), lässt sich angesichts des LXX-Befunds nicht ohne Weiteres nachvollziehen. Die Identifikation der drei Toponyme beruht in erster Linie auf gelehrten Konstruktionen in nachalttestamentlichen Dokumenten (s.u.).

Altes Testament

In der Liste der zu Benjamin gerechneten Orte wird Ofra in der ersten Gruppe (Jos 18,21­-24) genannt, die das nordöstliche Stammesgebiet (Jordantal, Bergland) beschreiben will. Daher ist mit einer Lage im östlichen Teil des Berglands zu rechnen. Auch die topographische Inszenierung der in 1Sam 13 geschilderten Kämpfe Sauls mit den Philistern ist im Territorium Benjamins angesiedelt (1Sam 13,2; 1Sam 13,15-16). Daher meint das 1Sam 13,17 erwähnte Ofra den zu Benjamin gerechneten Ort. Möglicherweise ist aus dem Textzusammenhang eine Lage nördlich von Michmas zu erschließen (WiBiLex, Art. Ofra, 2.). Das Ofra der Gideon- und der Abimelechgeschichte (Ri 6; Ri 8; Ri 9) dagegen soll in Manasse liegen (Ofra, manassitisch), also so weit nördlich, dass es mit dem vermeintlich benjaminitischen Ort nicht in Deckung zu bringen ist.
Der nur 2Chr 13,19 erwähnte Ort Efron (Efron, Ort) soll im ausgehenden 10. Jh. v.Chr. von Judas König Abija zusammen mit Bet-El und Jeschana erobert worden sein. Dabei ist vorausgesetzt, dass Efron ein größerer bzw. einflussreicher Ort war, da ihm „Tochterstädte“ zugerechnet werden. Ob dies auch vom benjaminitischen Ofra gilt, ist aufgrund der wenigen Belege nicht zu sagen. Sowohl Ofra als auch Efron sind im nördlichen Grenzgebiet Benjamins zu suchen, wo Bet-El angesiedelt ist (Jos 18,13; Jericke, Detlef 2020a, 78–93). Demzufolge ist das Efron von 2Chr 13,19 von dem gleichnamigen Berg (Efron, Berg) zu unterscheiden, der bei der Markierung der Nordgrenze Judas erwähnt ist (Jos 15,9), in der Darstellung der weitgehend parallel gedachten Südgrenze Benjamins (Jos 18,15-19) jedoch fehlt. Ob der lediglich im chronistischen Werk erwähnte Ort Efron ein jüngerer Name von Ofra ist (Schunck, Klaus-Dietrich 1961a; WiBiLex, Art. Ofra, 2.) lässt sich allerdings nur vermuten. Möglicherweise ist das benjaminitische Ofra lediglich eine literarische Bildung in Analogie zum Heimatort Gideons (Ofra, manassitisch).
Unklar bleibt die Verhältnisbestimmung von Ofra/Efron zum Toponym Efraim (zu den philologischen Problemen s.o.), obwohl zumeist die Identität aller drei Ortsnamen angenommen wird (neben den Lexikonartikeln vgl. zuletzt McKinny, Charles Christopher 2016a, 328; anders v.a. Albright, William Foxwell 1922a). Das in 2Chr 13,19 für den Ortsnamen Efron bezeugte qe ʿæprajin kann die Beweislast für die Gleichsetzung mit Efraim allein nicht tragen. Dazuhin ist nicht eindeutig zu bestimmen, ob das Toponym Efraim in 2Sam 13,23 tatsächlich einen Ort bezeichnen will oder ob, wie sonst im Alten Testament, Efraim auch hier Landschaftsname ist. Die Wendung bebaʿal-ḥāṣôr ʾašær ʿim ʾæprājim kann aufgrund der vergleichsweise unbestimmeten Präposition ʿim sowohl mit „in/bei Baal-Hazor bei Efraim“ als auch mit „in/bei Baal-Hazor in Efraim“ übersetzt werden. Zumindest wäre aus topographischer Sicht die Angabe, dass Baal-Hazor im Gebiet von Efraim liegt, korrekt. Allerdings verstand LXX Efraim im genannten Vers wohl als Ortsname, wenn sie schreibt ἐν Βελασωρ τῇ ἐχόμενα Εφραιμ „in Baal-Hazor, das an Efraim angrenzt“. Diese Interpretation hat möglicherweise auf Dokumente der nachalttestamentlichen Zeit eingewirkt, die eine Identifizierung von Ofra/Efron mit Efraim voraussetzen bzw. festschreiben (s.u.). Dennoch bleibt hinter der Gleichsetzung von Ofra/Efron mit dem Efraim von 2Sam 13,23 ein Fragezeichen.

Dokumente der nachalttestamentlichen Zeit

In nachalttestamentlicher Zeit scheint im Wesentlichen nur mehr das benjaminitische Ofra bekannt gewesen zu sein. Lediglich Josephus erwähnt zwei Mal das im Gebiet von Manasse gelegene Ofra Gideons (Ofra, manassitisch) (Ἐφρα; antiquitates 5,229.232). An anderer Stelle schreibt er, Vespasian habe nach dem Gebiet von Gophna und der Akrabatene zwei kleine Städte (πολίχνια) erobert, Efraim (Ἐφραιμ) und Bet-El (Βηθηγα, wahrscheinlich eine Verschreibung aus Βηθηλα), und sei dann Richtung Jerusalem gezogen (bellum 4,551). Da dieses Efraim zusammen mit Bet-El genannt ist, wird es meist mit dem alttestamentlichen Efron (Efron, Ort), häufig auch mit dem alttestamentlichen Efraim (Efraim, Ort) und damit indirekt auch mit dem benjaminitischen Ofra gleichgesetzt (Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 90). Ob auch das Toponym Αφαιρεμα (1Makk 11,34 LXXL; antiquitates 13,127; vgl. Ramatajim) in die Gleichsetzung miteinbezogen werden kann, wie gern angenommen wird (Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 90; Schmitt, Götz 1995a, 56–58; ABD, Art. Ophra; NBL, Art. Ofra; WiBiLex, Art. Ofra, 2.), ist unsicher. Αφαιρεμα ist der Name eines Bezirks (νόμος) bzw. eines Bezirksvororts, der neben Lydda (Lod) und Ramatajim vom seleukidischen Herrscher Demetrius II. an Juda übergeben wurde (Raviv, Dvir 2019a). Aus dem Textzusammenhang kann zumindest eine Lage im Grenzgebiet der Provinzen Samaria und Juda erschlossen werden, die dem alttestamentlichen Efraim bzw. Ofra/Efron entspricht.
Wenn das aus verschiedenen Dokumenten bekannte Toponym Ἐφραιμ den gleichen Ort bezeichnet wie das benjaminitische Ofra, so könnte auch das Ἐφραιμ, das der Vers Joh 11,54 als Rückzugsort Jesu nennt, damit in Deckung gebracht werden. Insbesondere Eusebius stellt eine Verbindung zwischen Ofra und Efraim her. Zu Ofra hat er zwei Einträge. Der erste gilt Jos 18,23. Hier nennt er den biblischen Ort Ἀφρα und verweist auf einen zeitgenössischen Platz namens Αἰφραιμ (Aiphraim), der 5 Meilen östlich von Bet-El liegen soll (Onomastikon 28,4f [Klostermann] = 31,7f, Nr. 100 [Timm]). Der zweite Eintrag betrifft 1Sam 13,17. Hier nennt er den biblischen Ort Ὀφρα und paraphrasiert lediglich die alttestamentliche Belegstelle (Onomastikon 142,2 [Klostermann] = 184,8, Nr. 761 [Timm]). Den Rückzugsort Jesu aus Joh 11,54 nennt Eusebius Ἐφραϊμ (Onomastikon 90,18f [Klostermann]= 114,4f, Nr. 459 [Timm]). Einen gleichnamigen zeitgenössischen Ort identifiziert er mit dem alttestamentlichen Efron (Ἐφρων, Onomastikon 86,1f [Klostermann] = 106,4f, Nr. 418  [Timm]). Er bezieht das  Stichwort Ἐφρων zwar auf den alttestamentlichen Berg Efron (Efron, Berg) von Jos 15,9; da er es mit dem zeitgenössischen „großen Dorf Ephraim“ (κώμη Ἐφραῒμ μεγίστη) gleichsetzt und dieses etwa 20 Meilen nördlich von Jerusalem (Αἰλια) lokalisiert, sollte es sich um den 2Chr 13,19 erwähnten Ort Efron/Efrajin(qe) (Efron, Ort) handeln, also vermutlich auch um das benjaminitische Ofra. Hieronymus gibt an dieser Stelle Ἐφραϊμ mit Efraea wieder (Onomastikon 87,1f [Klostermann] = 106*,4f [Timm]). Die Mosaikkarte von Mādebā wiederum weist den Eintrag  Εφρων ἡ Εφραια („Ephron, das ist Ephraia“) auf und setzt hinzu „wohin der Herr ging“ (Donner, Herbert 1992a, 50f, Nr. 43). Auf diese Weise wird der Joh 11,54 genannte Ort Efraim letztendlich mit dem alttestamentlichen Ofra/Efron gleichgesetzt.
Die komplexe Überlieferung der nachalttestamentlichen Literatur befördert demnach die Annahme, die alttestamentlichen Toponyme Ofra, Efron/Efrajin und Efraim bezeichneten den gleichen Platz nördlich von Bet-El. Inwieweit damit historische Verhältnisse wiedergegeben sind, die etwa zu der Annahme berechtigen, die drei Namen seien zu verschiedenen Zeiten für denselben Ort aktuell gewesen (Schunck, Klaus-Dietrich 1961a), sei dahingestellt. Wie in vergleichbaren Fällen benjaminitischer Toponyme, z.B. bei Bet-El/Lus/Bet-Awen oder Kirjat-Jerarim/Kirjat-Baal/Baala (Jericke, Detlef 2020a, 52–93.120–141), kann die Namensvielfalt auch so verstanden werden, dass für einen Ort zur Zeit der Entstehung der alttestamentlichen Texte mehrere Namen gebräuchlich waren, wobei manche davon lediglich als literarische Bildungen zu verstehen sind.

Lokalisierung

Die Gleichsetzung des benjaminitischen Ofra mit der heutigen Ortschaft eṭ-Ṭayyibe ist praktisch unbestritten (Gaß, Erasmus 2005a, 278 mit Anm. 2048; WiBiLex, Ort. Ofra, 2.).
Lediglich Livingston schlägt Bētīn vor, weil er Bet-El nicht an diesem Platz, sondern in dem gut 3 km weiter südwestlich gelegenen el-Bīre sucht (Livingston, David Palmer 1994a, 158). Allerdings entspricht die Distanz zwischen el-Bīre und Bētīn nicht den bei Eusebius genannten 5 Meilen (s.u.).
Der Ort eṭ-Ṭayyibe liegt am Ostrand des mittelpalästinischen Berglands ca. 7 km nordöstlich von Bētīn, dem alttestamentlichen Bet-El, und ca. 9 km nördlich von Muḫmās, wo Michmas lokalisiert wird. Er entspricht somit den Hinweisen zur Lage von Ofra, die aus den zwei alttestamentlichen Belegstellen und aus den Angaben des Eusebius (5 Meilen = ca. 7,5 km nördlich von Bet-El) zu entnehmen sind. Oberflächenbefunde weisen eine Besiedlung von der Eisenzeit I und II bis in römische und byzantinische Zeit aus, wobei Hinweise auf die persische und die hellenistische Zeit eher spärlich sind (Finkelstein, Israel 1988a, 160; Finkelstein, Israel u.a. 1997a, 587–590; Hofeditz, Ulrich 2020a, 93). Im Ort sind noch Reste von Kirchenbauten aus byzantinischer Zeit erkennbar, auf der Hügelkuppe im Zentrum von eṭ-Ṭayyibe liegt die Ruine einer Kreuzfahrerburg (WiBiLex, Art. Ofra, 2.). Insofern entspricht der archäologische Befund der Erwähnung des Orts im Alten Testament sowie in Dokumenten der römischen und frühkirchlichen Zeit. Aus dem Siedlungsrückgang in persischer und hellenistischer Zeit erklären sich vielleicht die Varianten innerhalb der LXX-Überlieferung zum Namen des Orts. Der neuzeitliche Name eṭ-Ṭayyibe bedeutet „die Gute“. Der Ortsname ist in der südlichen Levante verbreitet. So wird mitunter für das Ofra Gideons (Ofra, manassitisch) ein am Ostrand der Jesreelebene gelegenes eṭ-Ṭayyibe vorgeschlagen (vgl. Gaß, Erasmus 2005a, 274) , auch der im Ostjordanland gelegene Ort Efron (1Makk 5,46; 2Makk 12,27) wird auf einem Platz namens eṭ-Ṭayyibe gesucht (Jericke, Detlef / Schmitt, Götz 1992a; Schmitt, Götz 1995a, 148f). Die entsprechenden Gleichsetzungen werden damit erklärt, dass im Arabischen die Wurzel ʿfr eine abwertende Bedeutung hat (Übel, Unglück, Dämon) und daher bei der mittelalterlichen bzw. neuzeitlichen Namengebung eine Umkehrung des vermeintlich negativ besetzten antiken Ortsnamens vorgenommen wurde (ṭayyib el-ism „der Name ist gut“, sog. „Tayyibismus“; vgl. Hartmann, Richard 1911a; NBL 3, Art. Ofra; Gaß, Erasmus 2005a, 272f; WiBiLex, Art. Ofra, 2.).
Allerdings ergeben sich aus der Gleichsetzung des benjaminitischen Ofra mit eṭ-Ṭayyibe nordöstlich von Bētīn zwei Unklarheiten:
1. Sofern die Gleichsetzung sowohl mit Efron (Efron, Ort) als auch mit Efraim (Efraim, Ort) beibehalten wird, lässt sich die Entfernungsangabe von Eusebius zu Efron/Efraim (20 Meilen nördlich von Jerusalem; Onomastikon 86,1f [Klostermann] = 106,4f, Nr. 418  [Timm]) nicht mit seiner Angabe in Übereinstimmung bringen, der zeitgenössische Ort Αἰφραιμ, mit dem er das benjaminitische Ofra identifiziert, liege 5 Meilen von Bet-El entfernt (Onomastikon 28,4f [Klostermann] = 31,7f, Nr. 100 [Timm]), da er die Distanz zwischen Jerusalem und Bet-El mit 12 Meilen angibt (Onomastikon 40,20f [Klostermann] = 50,10f [Timm]). Während die Entfernungsangaben des Eusebius die Gleichsetzung von Ofra/Αἰφραιμ mit dem ca. 7 km von Bet-El entfernten eṭ-Ṭayyibe stützen, das somit ca. 17 römische Meilen von Jerusalem entfernt liegt, sollten Efron/Efraim rein rechnerisch noch 3 Meilen (ca. 4,5 km) weiter nördlich liegen. Die Vermutung, die 20 Meilen seien lediglich eine runde Zahl (Schmitt, Götz 1995a, 57), oder die Annahme, die längere Distanz von ca. 8 Meilen zwischen Bet-El und Efron/Efraim beziehe sich auf den Hauptweg, die 5 Meilen zwischen Bet-El und Ofra/Αἰφραιμ dagegen wiesen auf einen Fussweg bzw. Saumpfad (Abel, Félix-Marie 1938a, 402; WiBiLex, Art Ofra, 2.), sind Verlegenheitslösungen. Sollte man nicht grundsätzlich die Entfernungsangaben des Onomastikon in Zweifel ziehen, ergeben sich zumindest weitere Fragezeichen hinsichtlich einer Gleichsetzung der alttestamentlichen Orte Ofra und Efraim (Efraim, Ort).  
2. Die Gleichsetzung von Ofra mit eṭ-Ṭayyibe führt nach der Konstruktion der Landverteilungstexte im Buch Josua in efraimitisches Gebiet. Bet-El und das umgebende Gelände liegen bereits im nördlichen Grenzgebiet des Stammes Benjamin (Jos 18,12-14; vgl. Jos 18,13; Jericke, Detlef 2020a, 78–93). Auch bei der Annahme, dass Jos 18,12-14 nicht eine exakte Grenzlinie, sondern ein weiter gefasstes Grenzgebiet beschreiben wollen, sollte nach den Voraussetzungen von Jos 13-19 ein ca. 7 km nordöstlich von Bet-El liegender Platz nicht mehr zu Benjamin, sondern bereits zu Efraim gezählt werden, zumal auch Bet-El an einigen Belegstellen als efraimitisch ausgewiesen wird (Ri 1,22-26; 1Chr 7,28). Entweder greift man zu einer territorialgeschichtlichen Erklärung und postuliert, dass Benjamin nur kurzzeitig im 6./5. Jh. v.Chr. ein eigenständiges Territorium, ansonsten jedoch südlicher Annex zu Efraim war (Lipschits, Oded 2020a); oder man geht davon aus, dass die Liste benjaminitischer Orte Jos 18,21-28 so zusammengestellt wurde, dass alle Toponyme, die im Alten Testament in erzählerischem Zusammenhang mit Benjamin stehen, aufgenommen wurden. Für Ofra wäre dies aus 1Sam 13 zu erschließen, wo der Ortsname in literarischer Nachbarschaft zu Gibea-Benjamin (Gibea, benjaminitisch) bzw. Geba-Benjamin steht (1Sam 13,15-17). Die Zugehörigkeit Ofras zu Benjamin wäre in diesem Fall ausschließlich literarisch-topographisch, nicht jedoch historisch-topographisch bzw. territorialgeschichtlich begründet.


 

 

Autor: Detlef Jericke, 2021; letzte Änderung: 2021-06-29 17:31:06

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • RGG3 4 (1960), 1659f (Kuschke, Arnulf, Art. Ophra)
  • BHH 2 (1964), 1353 (Elliger, Karl, Art. Ophra)
  • TRE 25 (1995), 299f (Fritz, Volkmar, Art. Ophra)
  • NBL 3 (2001), 26f (Vieweger, Dieter, Art. Ofra)
  • ABD 5 (1992), 27f (Hamilton, Jeffries M., Art. Ophra)
  • WiBiLex 2013 (Koenen, Klaus, Art. Ofra)

 

Literatur

Thomsen, Peter 1907a , 19.63 ;  Hartmann, Richard 1911aAlbright, William Foxwell 1922bAlbright, William Foxwell 1923aAlbright, William Foxwell 1924a , 124–133 ;  Dalman, Gustaf 1924a , 231–234 ;  Alt, Albrecht 1928a , 32–38 ;  Abel, Félix-Marie 1938a , 402 ;  Albright, William Foxwell 1939a , 179f ;  Noth, Martin 1953a , 111 ;  Noth, Martin 1957b , 17f ;  Simons, Jan 1959a ,174.316 §§ 327.676 ;  Schunck, Klaus-Dietrich 1961aHeller, Jan 1962aSchunck, Klaus-Dietrich 1963a , 165f ;  Elliger, Karl 1966a , 47 ;  Noth, Martin 1966a , 264–270 ;  Stoebe, Hans Joachim 1973a , 245 ;  Rainey, Anson Frank 1978a , 10 ;  McCarter, P. Kyle Jr. 1980a , 238.330 ;  Kellermann, Mechthild u.a. 1985aKallai, Zecharia 1986a , 401 ;  Kellermann, Diether u.a. 1992aFritz, Volkmar 1994a , 184 ;  Schmitt, Götz 1995a , 56–58 ;  Finkelstein, Israel u.a. 1997a , 587–590 ;  Gaß, Erasmus 2005a , 270–273.278 ;  Groß, Walter 2009a , 398f ;  Rösel, Hartmut N. 2011a , 295 ;  McKinny, Charles Christopher 2016a , 328 ;  Jericke, Detlef 2020a , 234 ;  Hofeditz, Ulrich 2020a , 93 ;