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Zeret-Schahar

 

 

 

 

 

 

Weitere Namen

Zereth-Shahar; Zerethshahar; Zereth-Sahar

Lokalisierungsvorschläge

Namensformen AT

 צרת השחר ṣæræt haššaḥar. Σεραδα καὶ Σιων (LXXB), Σαρθ καὶ Σιωρ (LXXA)

Belege AT

Jos 13,19

Belege NT

ausserbiblische Belege aus vorhellenistischer Zeit
(BIS CA. 300 v.Chr.)

ṯršḫr ? (ägyptisch, Liste Ramses III: Simons, Jan 1937a, Liste XXVII, Nr. 5; Hannig, Rainer 2006a, 1206)

Deuterokanonische Texte und Ausserbiblische Belege
ab hellenistischer Zeit

Σ(α)ορθ (Eusebius, Onomastikon: Timm 205,9, Nr. 833; Klostermann 156,5; Notley R. Steven / Safrai, Zeʾev 2005a, 145, Nr. 831)

Beschreibung

Name

Der erste Namensteil ṣæræt ist 1Chr 4,7 als Personenname in der Genealogie Judas belegt. Dieser Befund kann jedoch für die Erklärung des Ortsnamens Zeret-Schahar nicht ausgewertet werden. Naheliegender ist ein Zusammenhang mit der Wurzel ṣwr „einengen, einschließen“ bzw. mit dem davon abgeleiteten Nomen ṣar „Enge, Angst“ oder mit ṣûr „Fels“. Der zweite Namensteil haššaḥar ist „die Morgenröte“. Zeret-Schahar ist demnach der „Engpass der Morgenröte“ oder eher „der Fels der Morgenröte“. Ob damit ein Ort gemeint ist oder eine Geländeformation wie etwa der Stein Bohans, der über die Bezeichnung Bohan auch mit Ruben in Verbindung steht, ist nicht eindeutig zu erkennen. LXX löst die beiden Namensteile der hebräischen Ortsangabe als zwei eigenständige Toponyme auf. LXXB scheint dabei den zweiten Namensteil mit Zion in Verbindung zu bringen. Eusebius folgt LXXA lediglich in der Schreibung des ersten Namens, übergeht jedoch den zweiten. Augenscheinlich war ein dem hebräischen Namen entsprechendes Toponym in hellenistisch-römischer Zeit nicht mehr bekannt.

Außerbiblische Belege

Ob das in der Liste Ramses III unter Nr. 5 verzeichnete Toponym ṯršḫr mit Zeret-Schahar identisch ist, ist sowohl philologisch als auch historisch-topographisch unsicher. Die identifizierbaren Toponyme im Listenzusammenhang weisen eher nach Nordsyrien (Ṣeret haš-Šaḥar be-har hā-ʿēmeq (Jos 13,19)>Wimmer, Stefan 2000a).
Eusebius erwähnt lediglich die Zugehörigkeit zu Ruben, was die Vermutung stützt, dass ein dem hebräischen Ortsnamen entsprechender Ort oder eine Geländeformation zu seiner Zeit nicht mehr bekannt waren.

Altes Testament

Zeret-Schahar ist nur Jos 13,19 belegt. Der Vers zählt den Ort bzw. die Geländeformation zum Siedlungsgebiet Rubens. Allerdings ist Zeret-Schahar nicht wie die meisten in Jos 13,17-19 genannten Toponyme auch als moabitisch ausgewiesen. Die beiden vor Zeret-Schahar genannten Orte Kirjatajim und Sibma werden am westlichen Rand der moabitischen Hochebene gesucht, am Übergang zum Gebirgsabfall in den Jordangraben bzw. zum Toten Meer (Salzmeer). Eine ähnliche Lage ist auch für Zeret-Schahar vorauszusetzen. Für die Liste ab Dibon (Jos 13,17) ist keine eindeutige geographische Ausrichtung zu erkennen, tendenziell ist jedoch ein Voranschreiten nach Norden auszumachen. Daher sollte Zeret-Schahar in etwa auf der Höhe des Nordendes des Toten Meers liegen. Ausschlaggebend für die Lokalisierung ist die dem Toponym in Jos 13,19 angefügte erklärende Lageangabe behar hāʿemæq „auf dem Berg/Gebirge der (Tal-)Ebene“. Bereits LXX greift zu der Hilfsannahme, dass das zweite Wort der Wendung ein Eigenname ist und übersetzt ἐν τῷ ὄρει Εμακ (Rezension des Origenes; Varianten: Ενακ LXXA, Εμαβ LXXB) „auf dem Berg Emak (Enak, Enab)“. Auch für neuzeitliche Ausleger bleibt die Wendung enigmatisch. Vereinzelt wird hāʿemæq als kleine Ebene bei einer Erhebung interpretiert (Ṣeret haš-Šaḥar be-har hā-ʿēmeq (Jos 13,19)>Wimmer, Stefan 2000a). Meist versteht man den Ausdruck jedoch als Bezeichnung für die Jordanebene (Kallai, Zecharia 1986a, 441; Knauf, Ernst Axel 2001a), genauer für den Jordangraben, vgl. ʿemæq haśśidîm hûʾ jām hammælaḥ „die Ebene Siddim, das ist das Salzmeer“ (Gen 14,3). Der Ausdruck har stünde dann für den gebirgigen Abfall vom ostjordanischen Hochplateau in den Jordangraben. Damit ist das syntaktische Problem noch nicht geklärt, ob die Wendung „auf dem Berg/Gebirge der (Tal-)Ebene“ lediglich auf Zeret-Schahar oder auch auf die vorhergehenden Ortsangaben zu beziehen ist. Im ersten Fall sollte Zeret-Schahar von den zuvor genannten Toponymen abgesetzt werden, die bammîšor „auf der (Hoch-)Ebene“, d.h. auf der ostjordanischen Hochebene lokalisiert werden (Jos 13,17). Für diese Interpretation spricht, dass Zeret-Schahar nicht, wie die Mehrzahl der vorangehenden Ortsangaben, auch zu Moab gerechnet wird. Die zweitgenannte Annahme ist nur sinnvoll, wenn die Wendung am Ende von Jos 13,19 lediglich die Lage der drei in diesem Vers genannten Örtlichkeiten näher bestimmen will (Mittmann, Siegfried 1995a, 7; Ṣeret haš-Šaḥar be-har hā-ʿēmeq (Jos 13,19)>Wimmer, Stefan 2000a), da die Orte von Jos 13,17-18 ab Dibon durch bammîšor lokalisiert sind. Eine solche auf Jos 13,19 begrenzte Erklärung erscheint nicht plausibel, zumal die jetzige Verseinteilung für den ursprünglichen Text nicht relevant ist. Eine alternative Erklärungsmöglichkeit für die Wendung „auf dem Berg/Gebirge der (Tal-)Ebene“ bietet Martin Noth. In Analogie zur Ortsliste Judas Jos 15,21-62 geht er davon aus, dass jeweils eine Gruppe von Ortsnamen durch eine Landschaftsangabe eingeleitet wird. Daher deutet er behar hāʿemæq als Einleitung zu den drei in Jos 13,20 aufgeführten Toponymen. Die Kopula „und“ vor Bet-Pegor sei erst eingefügt worden, als man den Sinn der Wendung behar hāʿemæq nicht mehr verstanden habe, was nach dem Zeugnis der LXX relativ früh in der Textgeschichte der Fall war (Noth, Martin 1953a, 80). Demzufolge sei Zeret-Schahar noch bammîšor „auf der (Hoch-)Ebene“ zu suchen (vgl. Fritz, Volkmar 1994a, 143). Eine begründete Entscheidung zwischen den genannten Alternativen (behar hāʿemæq bezieht sich nur auf Zeret-Schahar; bezieht sich auch auf die vorangehenden Ortsangaben; bezieht sich auf die drei folgenden Ortsangaben) ist kaum möglich. Daher bleibt auch eine zufriedenstellende Lokalisierung von Zeret-Schahar offen.

Lokalisierung

In der älteren Literatur wird Zeret-Schahar auf Grund der Namensähnlichkeit mit ez-Zāra am Ostufer des Toten Meers (Salzmeer) gleichgesetzt (Abel, Félix-Marie 1938a, 457f). Dort lagen die u.a. bei Josephus erwähnten (bellum 1,657; antiquitates 17,171; vgl. Möller, Christa / Schmitt, Götz 1976a, 116f; Schmitt, Götz 1995a, 200f) und auf der Mosaikkarte von Mādebā dargestellten (Donner, Herbert 1992a, 39f, Nr. 10) heissen Quellen von Kallirrhoē (Strobel, August / Wimmer, Stefan 2003a). Bei ez-Zāra wurden jedoch lediglich Reste der römischen und byzantinischen Zeit gefunden. Etwa 8 km landeinwärts von ez-Zāra und ca. 1100 m über dem Toten Meer befindet sich Bōz el-Musḥele. Der Platz liegt über einer alten Straße vom ostjordanischen Hochplateau zum Toten Meer. Der archäologische Oberflächenbefund deutet auf eine kleine Festungsanlage (ca. 20 x 10 m) aus der Eisenzeit, die von einer Kasemattenmauer umgeben war (Strobel, August 1990a, 136; Strobel, August 1997a; Strobel, August / Wimmer, Stefan 2003a, 84f). Der Vorschlag, Zeret-Schahar hier zu lokalisieren (Mittmann, Siegfried 1995a, 24; Ṣeret haš-Šaḥar be-har hā-ʿēmeq (Jos 13,19)>Wimmer, Stefan 2000a; Wimmer, Stefan 2000b), dürfte weitgehend darauf beruhen, einen Platz mit Besiedlungsresten aus alttestamentlicher Zeit in großer Nähe zum vermeintlichen Namensträger ez-Zāra auszumachen. Zudem reicht der Hinweis auf eine westlich vorgelagerte kleine Ebene namens el-Mustadīra (Ṣeret haš-Šaḥar be-har hā-ʿēmeq (Jos 13,19)>Wimmer, Stefan 2000a) kaum aus, der enigmatischen Lokalangabe behar hāʿemæq „auf dem Berg/Gebirge der (Tal-)Ebene“ von Jos 13,19 gerecht zu werden. Auch die Behauptung, in derselben Gegend befände sich ein Zārāt genannter Platz, der von ez-Zāra zu unterscheiden sei (Boling, Robert G. / Wright, G. Ernest 1984a, 342f), hilft nicht weiter. Die zu Zārāt angegebenen Koordinaten (vgl. ABD 6, 1083) stimmen mit denjenigen von ez-Zāra überein, d.h. Zārāt ist allenfalls ein Alternativname zu ez-Zāra (Kallai, Zecharia 1986a, 441).
Knauf schlägt vor, Zeret-Schahar mit Ruǧm el-Ḥerī gleichzusetzen (Knauf, Ernst Axel 2001a). Der steile Hügel, der einen guten Blick in das Umland erlaubt, liegt knapp 10 km westlich des Bergs Nebo (Nebo, Berg) am Gebirgsabfall in den Jordangraben etwa auf der Höhe des Nordendes des Toten Meers. Insofern erfüllt er eine Reihe der aus Jos 13,19 zu erschließenden Vorgaben, wenn man die Wendung behar hāʿemæq auf Zeret-Schahar bzw. die in Jos 13,19 genannten Toponyme bezieht und unter hāʿemæq den Jordangraben versteht. Auf Ruǧm el-Ḥerī wurde eine ca. 67 x 48 m große festungsartige Anlage entdeckt, die nach dem Keramikbefund aus der Eisenzeit II oder aus nabatäischer Zeit stammt (Gaß, Erasmus 2009a, 270). Die Beobachtung, dass die eisenzeitliche Keramik von Ruǧm el-Ḥerī der im Kerngebiet von Ammon gefundenen ähnlich ist und sich von derjenigen aus dem Kerngebiet von Moab unterscheidet (Daviau, Paulette M. Michèle 2006a, 23–25; Gaß, Erasmus 2009a, 198.218), muss nicht gegen eine Gleichsetzung mit Zeret-Schahar sprechen, da das Toponym im Alten Testament nicht ausdrücklich Moab zugeordnet ist.
Folgt man der Interpretation Martin Noths zur Syntax von Jos 13,19-20 (s.o.), so sollte Zeret-Schahar auf dem ostjordanischen Hochplateau zu suchen sein. Vorgeschlagen werden die ca. 10 km nördlich von Dibon gelegene Ḫirbet Libb (Noth, Martin 1953a, 80) und die gut 10 km östlich von Ruǧm el-Ḥerī gelegene Ḫirbet Qarn el-Kabš (Wüst, Manfried 1975a, 160). Ḫirbet Libb weist zwar Siedlungsreste der alttestamentlichen Zeit auf (s. Jahaz), liegt aber relativ weit südlich und wird auch zur Lokalisierung anderer in Jos 13,17-18 genannter Toponyme wie Bamot-Baal und Jahaz vorgeschlagen. Die Ḫirbet Qarn el-Kabš würde von der Lage her für Zeret-Schahar passen, bislang fehlen jedoch Hinweise auf eine Besiedlung in alttestamentlicher Zeit (s. Sibma).
Insofern bleibt die Lokalisierung von Zeret-Schahar, nicht zuletzt aufgrund der schwierig zu interpretierenden Wendungen in Jos 13,19, vorerst ungeklärt (Rösel, Hartmut N. 2011a, 217). Möglicherweise ist nicht nach einem besiedelten Platz, sondern nach einer charakteristischen Geländeformation zu suchen, die dem Namen „Fels (oder Engpass) der Morgenröte“ entspricht.

 

Autor: Detlef Jericke, 2022; letzte Änderung: 2022-05-31 17:17:32

 

 

 

 

Lexikonartikel

  • ABD 6 (1992), 1083 (Franklyn, Paul Nimrah, Art. Zereth-Shahar)
  • LThK3 5 (1996), 1150 (Küchler, Max, Art. Kallirhoë)

 

Literatur

Abel, Félix-Marie 1909b , 398 ;  Abel, Félix-Marie 1938a , 69.457f ;  Noth, Martin 1953a , 80 ;  Simons, Jan 1959a , 118 § 298 ;  Donner, Herbert 1963a , 78f ;  Strobel, August 1966aWüst, Manfried 1975a , 160 ;  Boling, Robert G. / Wright, G. Ernest 1984a , 342f ;  Kallai, Zecharia 1986a , 441 ;  Dearman, John Andrew 1989c , 60 ;  Strobel, August 1989aZwickel, Wolfgang 1990a , 151.161 ;  Strobel, August 1990a , 136 ;  Strobel, August 1990b , 140 ;  Donner, Herbert 1992a , 39f ;  Fritz, Volkmar 1994a , 143 ;  Schmitt, Götz 1995a , 200f ;  Mittmann, Siegfried 1995a , 24 ;  Strobel, August 1997aZwickel, Wolfgang 1999b , 16f ;  MacDonald, Burton 2000a , 137 ;  Wimmer, Stefan 2000aWimmer, Stefan 2000bStrobel, August / Wimmer, Stefan 2003a , 84f ;  Rösel, Hartmut N. 2011a , 217 ;